Über die Geduld

Man muss den Dingen die eigene, stille ungestörte Entwicklung lassen,

die tief von innen kommt und durch nichts gedrängt oder beschleunigt werden kann,

alles ist austragen – und dann gebären…

Reifen wie der Baum, der seine Säfte nicht drängt und getrost in den Stürmen des Frühlings steht,

ohne Angst, dass dahinter kein Sommer kommen könnte.

Er kommt doch!

Aber er kommt nur zu den Geduldigen, die da sind, als ob die Ewigkeit vor ihnen läge,

so sorglos, still und weit…

Man muss Geduld haben mit dem Ungelösten im Herzen,

und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,

wie verschlossene Stuben,

und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache geschrieben sind.

Es handelt sich darum, alles zu leben.

Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,

ohne es zu merken, eines fremden Tages in die Antworten hinein.

Rainer Maria Rilke

Foto: Axel Sutter – Buenos Aires November 2016

 

Dieses wunderschöne Gedicht hat durch eine gute Freundin zu mir gefunden. Es berührt mich tief, welch kraftvollen Worte Rilke findet um das Wesen der Geduld zu erspüren. Wie oft können wir uns diese Zeilen vergegenwärtigen im Alltag, wenn uns alles nicht schnell genug geht?

Wie geht es Dir damit? Ist Geduld auch für Dich ein Thema ?

Ich freue mich auf den Austausch mit Dir! Schön, wenn Du einen Kommentar schreibst

2 Gedanken zu “Über die Geduld

  1. DANKE ! dieser Text begleitet mich seit meiner frühen Jugendzeit …, vor allem die beiden letzten Verse, die allerdings Gegenteiliges ausgelöst haben : ich fühlte mich ermutigt, meine Fragen zu LEBEN, was in der gegebenen Situation aber noch Geduld erfordert hätte … So steht also Rilke gewissermassen Pate zur Existenz meiner Tochter … INZWISCHEN IST ALLES GUT SO WIE ES IST, aber der Preis vieler Jahre war hoch …

    Man muss Geduld haben
    mit dem Ungelösten im Herzen,
    und versuchen, die Fragen selber lieb zu haben,
    wie verschlossene Stuben,
    und wie Bücher, die in einer sehr fremden Sprache
    geschrieben sind.

    Es handelt sich darum, alles zu leben.
    Wenn man die Fragen lebt, lebt man vielleicht allmählich,
    ohne es zu merken,
    eines fremden Tages
    in die Antworten hinein.

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